Veranstaltungsreihe des Sozialforums Nürnberg und attac Nürnberg.
In Kooperation mit: Petra-Kelly-Stiftung & Rosa Luxemburg Stiftung Bayern / Kurt Eisner Verein.
Krise, Schulden, Widerstand – Eine andere Politik ist möglich!:
„Beispiel Portugal“
Referent: Ismail Küpeli,
Politikwissenschaftler und Aktivist. Er begleitet die sozialen Bewegungen in Portugal solidarisch und berichtet regelmäßig über die Folgen der Wirtschaftskrise und die Proteste gegen die Krisenpolitik.
Freitag, 14.11.2014, 19:30 Uhr, Großer Saal, Nachbarschaftshaus Gostenhof, Adam-Klein-Str. 6, Nürnberg.
Raus aus dem Rettungsschirm – alles in Butter?
Portugal hat im Mai 2014 den Rettungsschirm – Hilfskredite im Umfang von 78 Mrd. Euro – verlassen, den die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) durchgesetzt hatte. Ist damit alles wieder in Ordnung, geht es jetzt für das Land und die Menschen wieder aufwärts, wie die Regierung unter Pedro Passos Coelho verspricht?
Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, wachsende Armut
Bereits im Zuge des EU-Beitritts wurde die portugiesische Wirtschaft an die Anforderungen des Euro-Raums angepasst. Diese Entwicklung wurde in den letzten drei Jahren unter der Aufsicht der Troika verstärkt:
- Senkung von Löhnen und Renten (insbesondere auch der Staatsbediensteten)
- Ausdehnung der prekären Arbeit, viele Menschen haben keine Chance auf einen sozial abgesicherten Job
- Privatisierung von Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, z.B. der Stromversorgung
- Umstellung der Landwirtschaft auf Monokulturen
Die Steuerbelastung der ArbeitnehmerInnen ist gestiegen, die Steuern auf Kapital- und Zinserträge wurden gesenkt. Jeden Tag werden 125.000 Euro an Renten gepfändet, ca. 18 % der Menschen lebt unterhalb der Armutsgrenze. Arbeitslosigkeit liegt bei über 15 %. Die wachsende Armut löste eine neue Welle der Auswanderung aus.
Untragbare Staatsschulden
Die Staatsverschuldung hat sich unter der Aufsicht der Troika fast verdoppelt. Sie liegt heute bei 130 % des BIP. Zeitungen berichten von Plänen, nach denen Portugal noch bis 2045, dem geplanten Termin zur Rückzahlung der Schulden, von der Troika und dem Rettungsfonds EFSF kontrolliert werden wird. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Portugal die Schulden je zurückzahlen kann – und selbst wenn, welchen Preis müsste die Bevölkerung für die staatliche Schuldentilgung zahlen?
Wie wehren sich die Menschen?
Portugal war eines der ersten Länder, in dem umfangreiche Proteste gegen die Krisenpolitik stattfanden:
- Streiks in vielen Branchen, mehrere Generalstreiks
- Soziale Proteste / Solidaritätsaktionen, z.B. Proteste gegen prekäre Arbeit; Selbsthilfe von Betroffenen (Busfahrer gründeten eine Lebensmittelbank)
- Besetzungen, z.B. einer leerstehenden Schule in Porto, die in ein selbstverwaltetes Stadtteilzentrum verwandelt wurde, weitere Besetzungen in Lissabon und Coimbra
Was haben die Bewegungen erreicht, welche Erfolge, welche Niederlagen gab es?
Welche Formen und Inhalte von Aktionen können aus diesen Erfahrungen entwickelt werden, die Alternativen zur neoliberalen Gesellschaft aufzeigen? Nicht zuletzt: Gibt es Verbindungen zwischen unseren Aktivitäten und den sozialen Kämpfen in Portugal?
Portugal und die Nelkenrevolution
1974 wurde durch einen Putsch der „Bewegung der Streitkräfte“ die Diktatur (Salazar, ab 1968 Caetano) gestürzt. Aus dem Militärputsch entwickelten sich revolutionäre Prozesse. Unter dem Schlagwort „Poder Popular“wurden z.B. Großgrundbesitzer enteignet und Banken und Konzerne verstaatlicht. Die Basisbewegungen waren jedoch bald nicht mehr dominant in der portugiesischen Politik. Portugal wurde zu einer parlamentarischen Demokratie. Im Verlauf der Integration in die Europäische Union (Beitritt 1986) wurden die in der Revolution erkämpften Errungenschaften Stück für Stück zurückgenommen.
Beispiel: Nationaler Gesundheitsdienst
Eine der sozialen Kernforderungen der Nelkenrevolution war der Nationale Gesundheitsdienst SNS. Er wurde 1979 gegründet und war schon damals ein Kompromiss. Er entwickelte sich jedoch in den letzten 30 Jahren zu einer der wesentlichen Grundlagen der positiven sozialen Entwicklung des Landes und der Demokratie.
Die Privatisierung des Gesundheitssystems steht schon seit 2002 ganz oben auf der Agenda der bürgerlichen Politik Portugals, egal unter welcher Regierung. In der Bevölkerung gibt es Widerstand gegen die Privatisierungen und auch Forderungen nach einer strukturellen Umgestaltung, die von Forderungen zum Abbau von lebensgefährlich langen Wartezeiten bis hin zu einer Einbeziehung der Bevölkerung und insbesondere der Patienten bei der Gestaltung von Gesundheitsdienstleistungen reichen.
Die Veranstaltung wird unterstützt von:
Fürther Sozialforum, Wolfgang-Abendroth-Studiengesellschaft (WASG) e.V., Rosa-Luxemburg-Club (RLC) Nürnberg Fürth, radikale Linke Nürnberg (rL).
Sozialforum Nürnberg
Es ist das Anliegen des Sozialforums, Menschen und Gruppen bzw. Organisationen, die von der neoliberalen Politik betroffen sind, miteinander in Kontakt zu bringen. Damit verbinden wir unterschiedliche Traditionen und politische Ansätze zu einem gemeinsamen Protest gegen diese Politik. Weiter wollen wir Alternativen dazu aufzeigen.
Das Sozialforum Nürnberg ist Teil der internationalen Sozialforumsbewegung, die entstanden ist mit dem Weltsozialforum 2001 in Porto Alegre in Brasilien.
Das Sozialforum Nürnberg trifft sich jeden zweiten Montag eines Monats um 20:00 Uhr im Nachbarschaftshaus Gostenhof, Adam-Klein.Str. 6, 90429 Nürnberg.
Barrierefreier Zugang über den Hof.
Kontakt: E. Ramthun, Stadtteilzentrum Desi, Brückenstr. 23, 90419 Nürnberg.
Mail: Sozialforum-Nuernberg (ät) web.de, www.sozialforum-nuernberg.de
Postbank München, Konto 973983805, BLZ 700 100 80; IBAN: DE26 7001 0080 0973 9838 05
V.i.S.d.P.: E. Ramthun, Desi, Brückenstr. 23, Nürnberg.