DEMONSTRATION ZU DEN NÜRNBERGER BUNDESBEHÖRDEN

 

Aufruf zur Großdemonstration in Nürnberg gegen die EU-Krisenpolitik

am 4. Oktober 2014 im Rahmen der Blockupy-Herbstproteste

zur Bundesagentur für Arbeit und zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

 

EU-Krisenpolitik: Spaltung und Verarmung

„Die Krise sei überstanden“ heißt es gerne hierzulande. Das mag für die Gewinnaussichten der ‚geretteten‘ Banken und Großindustrien gelten. Die gesellschaftliche/europaweite Bilanz ist allerdings verheerend: Die Arbeitslosigkeit, insbesondere unter Jugendlichen, hat ungeahnte Rekordstände erreicht. Renten werden gekürzt. Gesundheitsversorgung abgebaut. Die Privatisierungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wird vorangetrieben. Damit wenige Kapitaleigner noch das letzte für sich herausholen können. Den Krisengewinnler_innen stehen massenhaft die Verlierer_innen gegenüber. Die Krisenpolitik der Europäischen Union und der Troika hat unter dem maßgeblichen Einfluss Deutschlands dafür gesorgt, dass Spaltung und Verarmung in vielen Ländern Europas zunehmen.

 

Deutschland hat schon vorgesorgt

Obwohl die meisten Medien es anders darstellen, wirkt sich die größte Krise des Kapitalismus seit 80 Jahren auch hier spürbar aus. Dass sie für die deutsche Wirtschaft bisher insgesamt ‚glimpflich‘ verlaufen ist, verdankt es den neoliberalen Reformen der letzten 25 Jahre unter Kohl und Schröder.  Sie haben den Standort Deutschland auf Kosten der Allgemeinheit für das Kapital rechtzeitig und vorsorglich ‚fit gemacht‘, um nun in der Krisenkonkurrenz gut da zu stehen. Mit zunehmender Arbeitsverdichtung und hoher Produktivität walzen deutsche Exporte die Produktion anderswo einfach nieder. Die Hartz-Gesetzgebung drückt das Lohnniveau und entsorgt die nach kapitalistischer Logik ‚Überflüssigen‘ in die Dauerarmut. Umgesetzt wird das durch die Bundesagentur für Arbeit. Die Flüchtlings- und Einwanderungspolitik orientiert sich nur in Sonntagsreden an humanitären Standards, es wird längst sortiert nach den Erfordernissen des Arbeitsmarktes. Umgesetzt wird dies im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

 

Gegen Zukunftskiller! 

Die Ausbildungsplatzsituation in Deutschland ist miserabel. Viele Jugendliche haben  Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. So behauptet die Bundesagentur  für Arbeit, es gäbe ca. 17.000 freie Ausbildungsplätze. Die Realität sieht aber anders aus,  da Jugendliche in Maßnahmen und Warteschleifen einfach aus der Statistik fallen –  tatsächlich fehlen in Deutschland über 300.000 Plätze. Doch selbst, wenn man das  ‚Glück‘ hat, einen Ausbildungsplatz zu ergattern, ist die Zukunft alles andere als sicher.  Der Arbeitsalltag wird bestimmt von Überstunden, ausbildungsfremden Tätigkeiten,  Leistungsdruck und Konkurrenz. Eine garantierte Übernahme gibt es fast nie, und wenn,  dann meist befristet. So landen viele bald in Leiharbeit oder müssen sich den Schikanen  des Arbeitsamtes stellen. Kämpfen wir gemeinsam für Ausbildungsplätze für alle und eine Übernahme in den erlernten Beruf!

 

Gegen Niedriglohn und Arbeitsschikane!

Für immer weniger Menschen ist ein ausreichendes Einkommen eine Selbstverständlichkeit. Der Druck auf diejenigen, welche für ihr Einkommen arbeiten müssen, steigt beständig an. Von Erwerbslosen, die durch systematische Drangsalierung aus dem Think-Tank der Bundesagentur für Arbeit gegängelt werden, über Niedriglöhner_innen, Zeitarbeiter_innen bis hin zu Solo-Selbständigen reicht heute die Palette prekärer Beschäftigung. Mit den Hartz-Gesetzen erlebten viele Lohnabhängige  den freien Sturz in die gesellschaftliche Isolation und Armut. Trotz des beispiellosen Abbaus von Arbeiter_innenrechten und des Aufbaus eines Schikaneapparates gegen Erwerbslose, plant die Bundesregierung weitere Verschärfungen für Erwerbslose und weiteren Kahlschlag bei Arbeiter_innenrechten. Wehren wir uns gemeinsam gegen diese Vorhaben und gegen die Konkurrenz und die Profitlogik insgesamt, die uns nichts als Un-sicherheit und Zwang zu bieten hat.

 

Gegen eine menschenunwürdige Migrationspolitik

Millionen Menschen befinden sich weltweit auf der Flucht vor unzumutbaren ‚Lebens‘bedingungen und imperialistischem Krieg. Europa schottet sich ab gegen jene Menschen, die vor den Problemen fliehen, für die die Politik der EU und Deutschlands maßgeblich mitverantwortlich ist – sei es durch sogenannte ‚Entwicklungshilfe‘, Strukturanpassungsprogramme oder Kriege zu dem Zweck, globale Ausbeutungsverhältnisse aufrecht zu erhalten. Die EU-Außengrenzen werden von Polizei, Militär und privaten Sicherheitsagenturen unter Inkaufnahme von Toten abgesichert.  Diejenigen, die es trotzdem nach Europa schaffen, fristen von da an ein Leben in permanenter Angst vor Abschiebung und als Menschen dritter Klasse, untergebracht in überfüllten Lagern unter inhumanen Konditionen. Derartige Zustände sind für niemanden jemals tragbar gewesen. Lasst uns deshalb gemeinsam für eine Welt kämpfen, ohne Grenzen und Armut, Krieg und Vertreibung! Zeigen wir uns solidarisch mit der Flüchtlingsstreikbewegung, auch in Nürnberg!

 

Warum halten so viele still?

Trotz einzelner kämpferischer Proteste gegen diese verschärfte politische Umsetzung der unmenschlichen Logik des Kapitals, ist es bisher in Deutschland nicht gelungen, diese Kämpfe zu bündeln und breit für eine soziale und bedürfnisorientierte Politik zu mobilisieren. Die zunehmende Spaltung zwischen oben und unten ist beabsichtigt und die Drohung mit sozialem Absturz hat das Klima im Lande deutlich verändert. Konkurrenz- und Leistungsideologien vergiften das Bildungswesen und die Arbeitswelt. Rassistische und andere diskriminierende Positionen erhalten mediale Plattformen. In kleinen Schritten versucht die Regierung militärische Interventionen im wirtschaftlichen Interesse mehrheitsfähig zu machen. Handelsabkommen im Interesse der globalen Wirtschaft (TTIP und TiSA) werden notfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorbereitet, damit Proteste ausbleiben.

 

Vom symbolischen Protest zum Widerstand

Mit den weltweiten Occupy-Protesten hat sich gezeigt: die Betroffenen beginnen sich zur Wehr zu setzen. Oft sind es erst symbolische Handlungen (‚Wall Street besetzen‘) oder demonstrative Verweigerung, sich von den kapitalistischen Krisenlösungsprogrammen einfangen zu lassen. In Deutschland ist die Europäische Zentralbank in Frankfurt als Teil der ‚Troika‘ zum wichtigsten Symbolort für eine repressive und ausgrenzende Krisenpolitik geworden. Deshalb unterstützen wir die Proteste von Blockupy Frankfurt. Hier in Nürnberg stehen die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge exemplarisch für eine ‚Krisenbewältigung‘, die dafür sorgt, dass mehr Menschen ausgeschlossen werden, Solidarität aufgekündigt wird und sich die Ausbeutung derer, die noch Arbeit haben, verschärft. Um dies sichtbar zu machen und breiten Widerstand zu ermutigen, gehen wir am 4. Oktober vor ihre Tore.

 

Gegen Krieg und Faschismus!

NATO und EU verfolgen seit dem Untergang der sozialistischen Staaten Europas eine Strategie einer neuen Weltordnung, mit der sie die globale Vorherrschaft ihrer wirtschaftlichen Akteure absichern können. Dabei entfesselten sie eine Serie von Interventionen und Aggressionen gegen Länder, die als ‚Rivalen‘ (Russland usw.) oder ‚Störer‘ (Syrien, Iran usw.) in Erscheinung treten. Im Streben nach globaler Vorherrschaft greifen sie bei Bedarf – wie bereits geschichtlich vorexerziert – zur faschistischen Herrschaftsvariante. Es mehren sich die Anzeichen, dass der Kapitalismus in eine Phase eingetreten ist, in der er die Fähigkeit verloren hat, die ganze Weltbevölkerung in das kapitalistische Weltsystem zu integrieren. Die Krise birgt dabei die große Gefahr, dass den Imperialisten Krieg als einziger Ausweg zur Erhaltung ihrer Weltordnung erscheinen könnte.

 

Gegen TTIP, TiSA und alle Freihandelsabkommen!

TTIP (EU, USA) und TiSA (EU, USA und weitere 21 Staaten) sollen alles, was dem Profitstreben insbesondere der internationalen Großkonzerne Schranken setzt, verbieten oder auf das niedrigste gemeinsame Niveau absenken. So sind z. B. Sozial- und Umweltstandards betroffen, oder Regelungen, die allen Menschen den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen sichern. In der Praxis bedeutet dies, dass eine Kommune etwa Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen nicht mehr eigenständig führen kann. Sie muss, unabhängig von der Qualität, einen billigeren Anbieter damit beauftragen. Meint ein Investor, dass z. B. Umweltauflagen den Betrieb einer Fabrik weniger rentabel machen, kann er bei einem‚ Schiedsgericht‘ außerhalb des bestehenden Rechtssystems und ohne weitere Überprüfungsinstanz Schadensersatz aus der öffentlichen Hand verlangen. Noch dramatischere Konsequenzen haben Freihandelsabkommen in den Ländern des globalen Südens. Wir fordern einen solidarischen und ökologischen Welthandel!

 

Gegen die fortschreitende Entsolidarisierung!

Manche träumen heute von einer fernen Zeit, da ging es für alle irgendwie nach oben: mehr Konsum, mehr Bildung, sozialer Aufstieg schien für die meisten ihrer Eltern erreichbar. Ein Fehltritt auf der Karriereleiter und man landet plötzlich ganz unten. Was zählt noch ein Quali oder eine Mittlere Reife? Und der Staat, der sich mal rühmte, sich um Wohlfahrt zu bemühen, sagt heute: sorge doch selber vor für Brille, Zahnersatz oder Rente. Jede_r muss selber schauen, wo er oder sie bleibt, ist die Botschaft. Notfalls auf Kosten anderer. Wer abzusteigen droht, beginnt zu strampeln. Und zu beißen. Bevorzugt nach unten, gegen Minderheiten und alt-neue Sündenböcke. In der verschreckten Mitte und darüber hinaus blüht rechtspopulistisches Gedankengut. Es gilt, diesem Klima der Konkurrenz gelebte Solidarität gegenüber zu stellen. Und für eine gerechte Teilhabe aller zu kämpfen.

 

Wir sind nicht einverstanden mit der EU-Krisenpolitik und wehren uns dagegen!

Kommt zur Demonstration nach Nürnberg!

Engagiert Euch in kritischen und widerständigen Gruppen!

Unterstützt lokale Proteste von Flüchtlingen und Erwerbslosen!

Nutzt die Sozialforen zur Vernetzung!

Beteiligt Euch an den Protesten zur EZB-Eröffnung am Tag X in Frankfurt!

 

Demobeginn: Aufseßplatz in der Südstadt, 12 Uhr mit Auftaktkundgebung.

Route: Über die Bundesagentur für Arbeit zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

 

UnterstützerInnen: GEW Nürnberg, organisierte autonomie (OA), Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), attac Nürnberg, Befreiungstheologisches Netzwerk Nürnberg, DIE LINKE Kreisverband Nürnberg-Fürth, LINKE LISTE Nürnberg, DKP Nürnberg, Radikale Linke Nürnberg, (DFV) Deutscher Freidenkerverband Nürnberg, Revolutionär organisierte Jugendaktion (ROJA), Sozialforum Nürnberg.

 

V. i. S. d. P.: E. Ramthun, c/o Desi, Brückenstr. 23, 90419 Nürnberg